07 Jun
07Jun

Immer wieder hört man seit einigen Jahren die Wie-Frage im Interview. Das geht dann so: "Wie sehr haben Sie sich über den Sieg gefreut?" Oder: "Wie stark hängt die Deutsche Wirtschaft von China ab?" Die Antwort kann, wenn der Interviewer Pech hat, sehr einsilbig sein: "Sehr". "Kaum". "Enorm viel." – Meist verliert der Interviewer nicht sein Gesicht, sondern der Interviewpartner tut ihm den Gefallen und gibt eine ausführliche Antwort. 

In der Ausbildung wird Journalisten beigebracht dass sie im interview keine geschlossenen Fragen stellen können, also keine Fragen, auf die der Gefragte mit ja, nein, weiß nicht. Antworten kann. Stattdessen sollen offene Fragen gestellt werden: „Was war ihre Motivation, das so zu machen?“ Hier muss die Antwort notwendigerweise ausführlich sein – und so erfährt man mehr über den Befragten. Dies weist auch schon darauf hin, dass die Wie - Frage angesichts der möglichen knappen Antwort eher eine geschlossene Frage ist. Oder immerhin ein Zwischending. 

„Hängt die deutsche Wirtschaft stark von China ab?“ Dies wäre eine geschlossene Frage, eine Recherchefrage noch dazu. Recherchefragen haben aber im Interview nichts zu suchen, sondern werden im Rahmen der Vorbereitung gestellt und beantwortet. Eine Krücke wäre die Fragestellung: „Auf einer Skala von eins bis 10: Wie groß ist die Abhängigkeit der Deutschen Wirtschaft von China?“ Auch hier wäre die Antwort einsilbig, beispielsweise „8“. Dann aber hätte der Interviewer immerhin die Chance sofort nachzufragen, nämlich: „Warum?“. 

Man könnte es aber auch gleich von Anfang an richtig machen und die weitaus offenere und handwerklich sauber formulierte Frage stellen: „Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China?“ 

So gesehen ist die Wie-Frage ein Ausdruck von journalistischer Schlampigkeit.

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