20 May
20May

Erst Pandemie, dann Krieg: Politische Kommunikation in Deutschland bleibt desaströs. Während Putin seine seit Jahrzehnten laufende Propagandamaschinerie befeuert und auf digitaler Ebene mithilfe von Trollfabriken weiterhin versucht, den Westen zu verstören, zu destabilisieren und rechtsextreme Kräfte zu stärken, geht Selenskij mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln (täglich ein Handy-Video, Äußerungen auf Twitter, Inszenierung von tv-wirksamen Besuchen der ausländischen Staatsgästen) sehr erfolgreich vor und bringt vor allem durch Authentizität und Emotionalität die Leute hinter sich. Dass er die Medienmaschinerie aus seiner Zeit als Schauspieler und Comedian in ihrer Wirkungsweise von innen her kennt, schadet auf keinen Fall. 

Großmächte wie die USA, Groß Britannien oder Frankreich arbeiten gezielt mit Informationen und Desinformationen und lassen Putin und die Welt wissen, was sie alles über ihn und die russische Armee wissen. Und Deutschland? Ist wirtschaftlich stark, müsste deutlich erkennbar führen, begnügt sich aber offensichtlich damit, sich mit seinen Partnern „abzustimmen“. Nun kann man lange räsonieren, was Führung bedeutet. Doch das lange Schweigen des Olaf Scholz kann man nicht als Führung interpretieren. 

Mit Blick auf das deutsche Volk (aber nein, in Deutschland sagt man: Bevölkerung) müsste Führung darin bestehen, dass die Leute durch packende Rhetorik mitgenommen werden. Es müsste darum gehen, Solidarität zu stärken und Spaltungstendenzen gar nicht erst im Ansatz entstehen zu lassen, denn der Krieg wird noch lange dauern. Es müsste darum gehen, das eigene, ganz persönliche Hadern und die Betroffenheit über die vielen Toten persönlich, authentisch und glaubwürdig erkennbar werden zu lassen. Um dann doch Entschlossenheit zu vermitteln und den Menschen das Gefühl zu geben: Vertraut uns auch weiterhin. Wir hängen uns rein und wir kämpfen für eine Lösung! Geht nicht? - Geht doch: Siehe Habeck. Siehe Baerbock.

So ist die politische Führung Deutschlands wieder einmal überfordert. Das war schon zu Pandemiezeiten so: Weil die Politik immer nur auf Sicht fuhr, schüttelte das Land immer nur den Kopf. Auch damals hätte man klarer sagen müssen: „Das, was wir heute tun, ist das, von dem wir heute glauben, dass es richtig ist. Morgen kann das anders sein. Und jetzt erklären wir, warum das so ist.“ 

Überhaupt: Warum! In einer Demokratie ist es so ungefähr die wichtigste Frage, die man stellen kann. Kluge Politik wartet nicht erst darauf, dass diese Frage gestellt wird. Kluge Politik besteht eben auch darin, dass man das Warum erklärt, bevor einer fragt. So behält man Deutungshoheit. So geht Führung.

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