18 Mar
18Mar

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine führt einen äußerst effektiven kommunikativen Verteidigungskrieg. Hauptsächliche Arena sind die sozialen Medien. Seit der russischen Invasion posten Selenskyj und sein Team im Stundentakt. Telegram, Facebook, Twitter und Instagram sind seine wichtigsten Kanäle. Dort folgen ihm Millionen von Menschen. 

Auf Telegram postet er zahlreiche Videostatements, teils als Selfie, teils am Rednerpult aufgenommen. Auf Twitter dokumentiert und kommentiert Selenskyj seine Gespräche mit anderen Staatschefs. Um die Strategie hinter seinen Beiträgen zu verstehen, muss man Selenskyjs Zielgruppen analysieren. 

Er scheint drei Ziele gegenüber drei Zielgruppen zu verfolgen: Erstens will er den Bürgerinnen und Bürgern seines Landes Mut zusprechen. Und zum Kämpfen auffordern. Offenbar gelingt ihm das: Nicht nur scheint seine Truppe eine äußerst hohe Moral zu haben. Videos zeigen auch, wie sich Zivilisten an manchen Orten allein mit ihren Körpern den Panzern der Invasoren entgegenstellen. Selenskyj dürfte Mobilisierung und Motivation seiner Landsleute auch deshalb gelingen, weil er auf Augenhöhe, mit Optimismus, ohne Floskeln, dafür sehr persönlich und schon mehrmals von der Straße zu ihnen spricht. Seine Botschaft: Wir kämpfen zusammen, wir gewinnen zusammen. Das ist beeindruckendes Leadership. Und er widerlegt schnell und ständig russische Desinformation. Putin setzt kommunikativ mittlerweile verstärkt auf taktische Desinformation. Seine Propaganda beinhaltet Lügen über die Situation auf dem Schachtfeld, beispielsweise, dass bestimmte Gebiete eingenommen worden seien, massenweise ukrainische Soldaten kapitulieren würden oder Selenskyj selbst das Land verlassen habe. Selenskyj hält dagegen und zeigt sich auf den Straßen Kiews mit Regierungskollegen.

 Zweite Zielgruppe ist die russische Bevölkerung. Zu ihnen spricht er auf Russisch. Auch an sie ist die Widerlegung von Putins Propaganda gerichtet. "Die Ukraine in euren Nachrichten und die Ukraine in der Realität sind zwei komplett unterschiedliche Länder", sagt Selenskyj in solchen Videos. Oder: "Wie kann ich selber Nazi sein? Erzählen Sie das mal meinem Großvater, der im Zweiten Weltkrieg starb." Selenskyj dankt auch den mutigen Protestierenden in Russland. Natürlich hört man über die russischen Staatsmedien nichts von den Botschaften des ukrainischen Präsidenten. Aber er verbreitet diese vornehmlich in Videos über Telegram, das von rund einem Viertel der russischen Bevölkerung genutzt wird. Dort kann er den einen oder anderen erreichen. Es sind Nadelstiche in das Narrativ des Kremls. 

Drittens erreicht der ukrainische Präsident die globale Öffentlichkeit. Allen voran geht es ihm um die westlichen Staaten, deren Unterstützung er unermüdlich erbittet. Selenskyj beschwört das Narrativ von der "Anti-Kriegskoalition". So twittert er beispielsweise, dass Frankreich Waffen und Militärausrüstung auf den Weg geschickt habe oder Portugal den Ausschluss von Russland aus Swift unterstütze. "The anti-war coalition is working!", setzt er an das Ende solcher Tweets. Damit übt er öffentlichen Druck auf diejenigen Länder aus, die sich bislang noch zurückhalten. Natürlich erreichen auch seine Selfies und Reden die globale Öffentlichkeit. Längst wird er als Held gefeiert. Nicht nur, weil er wohl tatsächlich einer ist, sondern auch, weil er weiß, wie man eine Heldengeschichte erzählen muss. (Kommentar von Johannes Hillje (Langfassung).

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